Die Menschen betrachten die Liebe aus vielen Winkeln, als etwas, das sie zu besitzen begehren oder wünschen, als etwas, das sie zum Trost oder Überleben verlangen oder brauchen, und am allerwenigsten als die Sorge um einen Anderen. Während in der Theorie das Letztere als das verstanden wird, was mit der Idee, einen Anderen zu lieben, gemeint ist, passen die ersten beiden Motive am meisten ins Bild. Warum ist das so? Warum sagen die Menschen das Eine, obwohl das Gegenteil der Fall ist? Warum nicht einfach sagen, ich begehre X, anstatt, ich liebe X? Warum nicht sagen, ich brauche X, anstatt ich liebe X? Wir rutschen weg von der Wahrheit, und strahlen das warme Glühen der Ideen aus, die von dem Wort Liebe überall erzeugt werden.
Der Grund dafür, warum die Wahrheit in dieser Sache leidet, liegt an dem Wunsch, das Selbst für das Versagen zu entschuldigen. In unseren Herzen streben wir die wahre Liebe an, für den Anderen genausoviel zu sorgen wie für uns selber, und dies ist unsere verkündete und innere Absicht. Wenn wir das Ziel verfehlen, und die Gefühle einem eher selber dienen, hoffen wir, kein Anderer merkt es. Warum haben wir dann Probleme mit der Idee der bedingungslosen Liebe? Da wir schon damit Probleme haben, das auszuüben, was wir predigen, haben wir Angst davor, die Erwartungen in einen höheren Bereich gesteigert zu haben. Heißt das, die sorge um das Selbst - das Ich - sollte eliminiert werden? Sollen wir uns nur auf den Anderen konzentrieren? Sollen wir keinen Ärger fühlen, wenn der Andere uns enttäuscht, oder vielleicht sogar brutal behandelt? Da wir das Ziel schon so oft verfehlen, wie sollen wir dann die höheren Standards einbauen? Die praktische Anwendung dieser Ideale wankt. Wir fühlen uns ein bisschen verloren.
Diese Verwirrung liegt nicht an unserer Mühe, ein Ideal zu erreichen, sondern an dem Verständnis des Ideals selbst. Die bedingungslose Liebe heißt nicht, den Anderen ungeachtet seines Verhaltens zu lieben. Sie heißt nicht, jedes Verhalten des anderen zu akzeptieren, ohne das Ich zu verteidigen oder, wie Du sagst, Stunk zu machen. Sie heißt nicht, wegzugucken, wenn der Wettkampf um eine Ressource, die das Ich auch begehrt oder braucht, das Ich benachteiligt. Die bedingungslose Liebe bedeutet, mit anderen Worten, nicht aufzuhören, zu verlangen und aggressiv dem nachzugehen, was das Ich will und braucht. Die bedingungslose Liebe bedeutet einfach, dass Du den Anderen nicht aufgibst, nur weil es einen Wettkampf oder eine Meinungsverschiedenheit gibt. Wir werden das an ein paar Beispielen erklären.
Bedingte Liebe: Eine Mutter liebt ihre Kinder, und dies aus vielen Gründen. Sie sind eine Erweiterung von ihr selbst, und die Leistungen der Kinder fallen zurück auf die Erziehung und Gene der Mutter. Sie versprechen aufzuwachsen und im Alter für sie zu sorgen. Sie helfen bei den Haushaltsarbeiten, und auf sie kann man sich in Notfällen verlassen. Sie bereichern ihr Leben, bringen Freunde, Neuigkeiten und Witze und immer das Unerwartete ins Haus. Das Leben ist nicht öde. Die Mutter, die ihre Kinder ernährt und kleidet, wird automatisch als eine liebende Mutter betrachtet. Was passiert, wenn das Kind sich weigert, in eine von diesen Erwartungen zu passen? Vielleicht ist eines der Kinder ungemein unabhängig, und verwehrt die Begleitung der Mutter, wenn sie dies begehrt. Das Kind hat seine Gründe, aber die Mutter sieht dies nur als Ablehnung. Sie fühlt viel Ärger, und findet sich abgeneigt, die früher für das Kind getanen besonderen Dinge zu tun. Sie hat aufgehört, dieses Kind zu lieben, da das Erfüllen ihrer Erwartungen ihre Liebe bedingt.
Bedingungslose Liebe: In dieser selben Situation, wo die Mutter eines ihrer Kinder als Enttäuschung empfindet, hört die Mutter nicht auf, die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen, wie früher. Dies heißt nicht, dass sie keine Enttäuschung fühlt, oder sogar ihre Beschwerden vor dem Kind oder den Anderen äußert. Sondern dies heißt, dass die liebende Unterstützung weitergeht, die sie diesem Kind gibt, ob das Kind sie nun in irgendeiner Weise enttäuscht hat oder nicht.
Die bedingte Liebe wird also als ein Hebel gesehen, den Anderen zur Mitarbeit zu zwingen, und die bedingungslose Liebe erlaubt, dass das Problem direkt, ehrlich und fair behandelt wird, als das einzige Problem, und nicht umwölkt von anderen Problemen. Zum Beispiel kann im oberen Beispiel die Mutter sich laut über den Mangel an Begleitung beschweren, und das Problem kann offen behandelt werden. In der bedingten Liebe mag das Begleitungsproblem, offen oder nicht, behandelt werden, aber auf alle Fälle sind noch weitere Probleme aufgetreten, wie zum Beispiel das Versagen, das Kind zu ernähren und zu kleiden oder ihm Nachrichten weiterzuleiten oder, was auch immer die Mutter früher für das Kind tat. Dies verhindert in der Tat, dass das Problem als ein einziges Problem behandelt wird, da es nach dem Belieben der Mutter abgewogen wird. Das Problem wird von nebensächlichen Problemen umwölkt. Die Mutter ist, durch die Anwendung von bedingter Liebe, eine Diktatorin.